Lobpreislieder

Darf es hier auf Erden schön sein?

Wow, das war eine ganz neue Perspektive für mich. „Ewigkeit“ war bisher stets ein Lied gewesen, das ich einzig und allein als Ermutigung wahrgenommen hatte. Aber ich konnte die Gedanken meiner Freundin nachvollziehen (Du kannst sie hier nachlesen, falls du Teil 1 der Artikelreihe verpasst hast). Gott will uns das Leben in Fülle schenken. Anstatt aus dieser Verheißung zu leben, vergeistlichen und glorifizieren wir manchmal unsere Leiden im Heute. Mir fiel zu dieser Thematik auch das Lied „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ von Dietrich Bonhoeffer ein. Darin heißt es:

Noch will das Alte unsre Herzen quälen
noch drückt uns böser Tage schwere Last.
Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
das Heil, für das du uns bereitet hast.

Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern
des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus deiner guten und geliebten Hand.

Nun, wenn wir uns ansehen, in welchen Lebenslagen solche Lieder entstanden sind, dann wird klar, warum sie diese Perspektive auf das Leben zeigen.

Die Outbreakband schrieb „Ewigkeit“ nach zahlreichen Begegnungen mit verfolgten Christen. Mit dem Lied stellte sich die Band an die Seite ihrer Glaubensgeschwister, die täglich solch großem Leid ausgesetzt sind. Bonhoeffer schrieb den Text zu „Von guten Mächten“ in der Gestapo-Haft. Es ist das letzte geistliche Dokument von ihm vor seiner Hinrichtung durch die Nazis.

Ja, manchmal erleben wir Leid. Diese Welt ist umkämpft. Es kann wirklich hart sein. In solchen Situationen hat David so manchen Psalm geschrieben. Bis heute werden leidvolle Erlebnisse in Gedichten und Liedern verarbeitet.

Klagelieder für alle?

Müssen wir gerade diese Lieder in unserer Anbetungszeit mit der ganzen Gemeinde singen? Ich bin kein Lobpreisleiter. Ich bin mit Gott nicht regelmäßig im Gespräch über die Auswahl von passenden Liedern. Und ich kann mir durchaus vorstellen, dass es in manchen Fällen tatsächlich passend ist, gemeinsam Lieder zu singen, die von großem Leid ausgehen. Aber nicht grundsätzlich. Nicht immer. Nicht ständig. Und vor allem müssen wir uns nicht salbungsvoll in einen Umstand hineinversetzen, der uns zur Zeit gar nicht betrifft. Ich hatte damals eine Krise. „Ewigkeit“ ermutigte mich weiterzumachen, obwohl ich nicht wusste, wie.

Gefangen in zahlreichen Gedankenfestungen und von unzähligen inneren Schwüren, die meinen Handlungsspielraum über Jahrzehnte einschränkten, sang ich solche Zeilen stets mit der Ernsthaftigkeit eines Märtyrers. Wäre ich aber damals im Sumpf des Selbstmitleides stecken geblieben, würde ich nach wie vor die schlechten Früchte ernten, die in dieser Krise zur Reife kamen, als meine bisherigen Strategien nicht mehr griffen.

Von Freud‘ und Leid

Die Gefahr, die ich dabei sehe, ist, dass wir einen ungesunden Blick auf Leid kultivieren. Dass wir es zur Tugend erheben. Dass wir nach Leid streben. Es kann zu einer Flucht vor der echten Welt werden. Zu einer Flucht vor der eigenen Verantwortung. Wenn wir unsere Herzen verschließen und uns selbst leid tun, während wir uns zum Helden verklären, der das hier erträgt, um am Schluss die Krone für sein Leid zu bekommen, sind wir ziemlich am Holzweg.

Sheila Wray Gregoire schreibt in einem Blogartikel zu einem bisschen anders gelagerten Thema (Es geht darum, warum wir keine christlichen Selbsthilfebücher lesen sollten, die ein wenig schädliche Lehre enthalten): „And this is what so many evangelical books do. They tell you, “Hey, if you’re unhappy, the problem is not because of your circumstances. The problem is because of your attitude.“ Sie schreibt davon, dass viele schädliche Selbsthilfebücher davon ausgehen, dass unser Problem nicht in den Umständen liegt, sondern in unserer Einstellung zu unseren Umständen. Sie treiben uns buchstäblich in die Starre.

Nun wird allerdings schnell aus…

„Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, welche Gott verheißen hat denen, die ihn liebhaben.“ Jakobus 1,12

Die toxische Sicht auf Leid

…selig werde ich nur durch Anfechtung. Es wird mir also nützen, wenn ich jetzt bis zum Hals in Problemen stecke. Ich muss mich nur genügend darüber freuen und darf ja nichts dazu tun, dass ich diesen Problemen entkomme.

Ein Jugendleiter von mir sagte einmal in einer Predigt zum Thema: „Leide nicht wegen deiner Dummheit.“ Er meinte, dass es zwar eine gute Sache sei, aus Gottes Hand das zu nehmen, was er uns zumutet. Es wäre allerdings nicht zielführend uns durch dumme Entscheidungen selbst in Leid zu bringen. Ich hörte diese Worte als Jugendlicher und dachte bei mir: „Wer würde so etwas schon machen?“

Heute muss ich sagen: „Ich war’s!“ Und ich möchte das nicht mehr. Wir müssen uns nicht jedes Leid aneignen. Egal, ob davon in der Bibel berichtet oder in Liedern gesungen wird. Klagelieder sind ein Segen für alle, die gerade etwas zu klagen haben. Im Anschluss zur Klage schenkt Gott oftmals den Ausweg. Lies die Psalmen mal genau und beobachte, wie sich der Gemütszustand des Psalmisten oft im Laufe des Liedes ändert.

Wer im Moment nichts zu beklagen hat, darf getrost bei den Lobliedern bleiben und sich an der Fülle freuen, die Gott uns jetzt schon schenkt.

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