
Gottes Gesetze sind Naturgesetze
Ich konnte mich nie so richtig mit dem vielzitierten Gottesbild, das ihn als übermächtigen Richter auf einer Wolke sitzen und mit erhobenem Zeigefinger Verdammnis aussprechen sieht, identifizieren…dachte ich zumindest. Dabei kam mein Gottesbild jenem erwähnten recht nahe, wenn es auch subtiler und vor allem ambivalenter war.
Wir alle, ob wir nun an Gott glauben oder nicht, bilden in den ersten Lebensjahren ein Gottesbild aus, das vorrangig von unseren primären Bezugspersonen geprägt ist. Mir wurde schon immer von der Liebe Gottes erzählt und ich habe ihn auch immer an meiner Seite erlebt, was mir schon als Kind Rückhalt in schwierigen Lagen gegeben hat.
Doch gleichzeitig wurde ich gelehrt, dass Gott absolut gerecht ist und Sünde bestrafen muss. Nun ist zwar Jesus für uns gestorben, aber die Erlösung von unseren Sünden wäre nur dann wirklich gültig, wenn wir Reue zeigten. Unser Glaube müsse mit unseren Taten übereinstimmen.
Was mir dabei fehlte, war ein wichtiges Puzzleteil: Gott tut ein gutes Werk in uns. Ich kann auf ihn vertrauen, dass er mich in die Buße leitet und dass er mich zum Guten verändert, wenn ich nicht dagegen rebelliere, sondern mich immer wieder auf diesen Prozess einlasse.
Dies führte dazu, dass ich mich stets bemühte das Richtige zu tun. Ich verurteilte mich selbst, wenn es mir nicht gelang. Denn, so dachte ich, wäre die Selbstverurteilung sicherlich harmloser als Erniedrigung, die auf mich warten würde, wenn ich es mir zu leicht gemacht hätte.
Die Krux mit der Evangelisation
Ich kann mich noch gut erinnern, als ich in meinen Jugendjahren an einem Supermarktparkplatz, der in der Nähe eines Festivalgeländes lag, mit einer Gruppe junger Menschen an einem Evangelisationseinsatz teilnahm.
Die Besucher des Festivals führten mit kleinen Sackrodeln kistenweise alkoholische Getränke zum Gelände. Ich beobachtete sie, während wir Traktate verschenkten. Ab und zu setzte sich der eine oder andere Teilnehmer unter unser Zeltdach und wir kamen ins Gespräch. An diesem Tag lernte ich etwas ganz Entscheidendes.
Wie man das auf Evangelisationseinsätzen so macht, begann ich dem jungen Mann das Evangelium Schritt für Schritt zu erklären. Doch obwohl das Gespräch eine gewisse Dauer aufwies, kamen wir nicht sehr weit. Denn bei meiner ersten Grundannahme, auf der ich jeden weiteren Schritt aufbauen wollte, widersprach mir mein Gegenüber.
Es ging mir zuerst darum, ihm zu erklären, dass wir alle Sünder waren und Jesus brauchten. Dazu musste er sich zu dieser sündigen Gruppe Menschen zählen. Also begann ich noch weiter vorne und stellte in den Raum, dass aus uns Menschen nur Böses kommt. Und genau das war es, was mir mein Gegenüber nicht glauben wollte.
Wir sprachen hin und her und innerlich begann der Lernprozess eher bei mir als bei dem jungen Mann, den ich doch eigentlich evangelisieren wollte. Als er sich verabschiedete und auch für uns das Ende dieses Einsatzes anbrach, sagte eine Freundin zu mir: „Er hatte recht, in jedem Menschen ist auch etwas Gutes.“
Naturgesetze?!
Ich behielt diese Begebenheit viele Jahre in meinem Herzen, bis die nötigen Schritte gegangen waren, um mehr darüber zu verstehen. Schließlich fiel mir auf, dass der Mensch als Ebendbild Gottes geschaffen wurde. Ich erkannte, dass sowohl Gott gut ist, als auch sein Urteil über den Menschen „sehr gut“ hieß.
Ich begann Sünde im Kontext von Trauma zu verstehen. Mir war klar, dass Gottes Vorhersehung für uns Menschen das allerbeste ist.
Durch die Auseinandersetzung mit dem Traumabegriff und der bindungsorientierten Erziehung erkannte ich, dass Sünde zum Ur-Trauma des Menschen geführt hat: der Trennung von Gott.1
Ich begann meinen Glauben als Tatsache zu begreifen und nicht als Annahme, als These, von der es andere zu überzeugen gilt. Irgendwann formulierte ich es für mich so, dass ich nun endlich gelernte hatte, dass Gottes Wahrheit einfach wahr ist. So wie Naturgesetze. Die stellt doch auch keiner in Frage. Und wenn doch, ist es nicht so schlimm, weil sie sich immer wieder als wahr herausstellen. Die Angst war verschwunden, die früher im Gespräch mit Nichtchristen immer wieder aufkam, ich könnte die Debatte verlieren und was wäre dann mit meinem Glauben? Mein Glaube hatte nun endlich das Fundament, das er schon immer gebraucht hatte.
Ich brauchte dazu weder mein altes Gottes- noch mein altes Menschenbild. Denn beide waren lediglich dafür da gewesen, das Kartenhaus eines kopfbasierten Glaubens zu stabilisieren.
Einige Zeit später saß ich mit meiner Seelsorgerin beisammen. Im Gespräch erwähnte ich, dass Gottes Gesetze, seine Gebote, doch nichts anderes wären, als Naturgesetze. Da schaute sie mich verblüfft an und meinte: „Jetzt hast du den ersten Punkt der biblischen Grundlage, auf der wir hier im Elijah House arbeiten, zusammengefasst.“
Sie arbeiten genau wie Team F mit den Lehren von John und Paula Sandford. Später besuchte ich die Schule für geistliches Wachstum im Elijah House und lernte von den vier grundlegenden Gesetzen, auf denen John und Paula Sandford ihr Arbeit aufgebaut haben.
- Marina Hoffman, Junita Horch, Julia Wanitschek; InBindung wachsen. Erziehung nach Jesu Vorbild; 2022 Advent-Verlag GmbH Lüneburg; S. 22 ↩︎
